„Wir hatten das große Ganze im Blick“

Viel Herzblut und Zeit investiert: Verena Bastian

Aus der Oberbadischen vom 23.07.2021

Eigentlich. Ja, eigentlich sollte es nur eine vorübergehende Aufgabe sein, ehe dann an der nächsten Generalversammlung jemand anderes das Amt des Vorsitzenden übernehmen sollte. Pustekuchen. Aus „vorübergehend“ sind es nun 16 Jahre geworden. Heute Abend ist jedoch tatsächlich Schicht im Schacht. Verena Bastian wird ihr Amt als Chefin des FC Wittlingen abgeben. Eine Ära geht zu Ende.

„Das wird emotional“, sagt die 60-Jährige. Irgendwann müsse man aber einen Schlussstrich ziehen. „Ich wollte schon seit längerer Zeit kürzer treten. Aber mir was es wichtig, dass der Verein in guten Händen ist. Ich habe schließlich viel Herzblut und Zeit investiert“, sagt sie. Und genau das ist jetzt der Fall. Thomas Tiedemann, der bisher als Jugendleiter fungierte, stellt sich heute zur Wahl.

2005 war es, als Bastian, Mutter von drei Jungs, die allesamt beim FC Wittlingen kickten, Max Stammler beerbte. Zuvor war sie von 1999 bis 2004 stellvertretende Jugendleiterin des Vereins. „Ich wollte das ein Jahr machen und habe gedacht, danach findet sich schon jemand. Aber es hat sich niemand bereit erklärt“, blickt Bastian zurück.

Und so stand sie am Vereinsruder. „Es war schon Neuland für mich. Ich habe viele Fehler zu Beginn gemacht, aber man lernt ja daraus. Ich habe mich reingeschafft und Spaß daran gefunden. Schließlich waren wir damals eine große Familie“, erzählt sie. Und sie wusste genau, was sie nicht wollte. Nämlich diesen Job nur für die erste und zweite Mannschaft machen. „Mir war es wichtig, die Jugend nicht außen vor zu lassen. Wir hatten das große Ganze im Blick.“

Und diese Einstellung zahlt sich nun aus. Der Verein boomt. Mehrere Aktivteams, erfolgreiche Jugendteams, so einige Mädchen- und Frauenmannschaften. Der FCW ist zu einer feinen Adresse geworden. Und so gehe sie mit einem weinenden und lachenden Auge.

„Ich habe mir geschworen, bei Heimspielen immer da zu sein, wenn es nur irgendwie möglich ist. Das war nicht immer einfach. Vor allem, seit meine Jungs nicht mehr kicken. Da kam es oft vor, dass ich am Spielfeldrand stand und die Familie woanders war. Jetzt kann ich mit meinem Mann wandern gehen und mir Spiele anschauen, wenn es mir danach ist. Und ich stehe nicht mehr so unter Druck.“

Auf der anderen Seite habe sie dank dieses Jobs auch „wahnsinnig viel erlebt“. Zusammen mit dem gesamten Team habe man „vieles auf die Beine gestellt“. Und das, obwohl ihr doch immer wieder kräftiger Wind ins Gesicht blies. Eine Frau als Chefin eines Fußballklubs? Für viele Männer fast schon ein unvorstellbarer Gedanke. „Ich wurde sehr kritisch beäugt. Oft kamen dann so Kommentare, wie: Du verstehst ja eh nichts vom Fußball.“ Einige wenige aus dem eigenen Verein waren darunter, aber viel mehr Auswärtige.

Diesen Nörglern verging jedoch schnell das Frotzeln. Denn: „Sie haben gesehen, dass wir Erfolg haben. Ich habe mich nicht beirren lassen.“ Auch deshalb, weil die gesamte Vorstandschaft hinter ihr gestanden habe. „Das hat mir viel Kraft gegeben.“ Nicht nur als Vereinsvorsitzende war Bastian aktiv, bis vor drei Jahren betreute sie auch die Bambini. Und im Fußballbezirk bringt sie sich seit vielen Jahren auch noch ein. Gerade wurde sie beim Bezirkstag als Staffelleiterin wiedergewählt.

Wichtig sei, dass man seine Aufgaben gerne mache, sagt sie. Und dass man im richtigen Moment den Absprung schaffe. „Bei den Bambini wollte ich nicht, dass sie Oma sagen zu mir. Da habe ich lieber vorher aufgehört“, schmunzelt sie.

Zuschauer, aber auch Pressevertreter müssen sich ab sofort also umstellen. Denn nun steht da nicht mehr von Wochenende zu Wochenende eine Frau am Spielfeldrand, die einen freundlich grüßt, ein Getränk anbietet, um wenig später lautstark „meine Jungs“ anzufeuern.

Das heißt aber nicht, dass Verena Bastian nun nicht mehr auf der Breitmatte aufschlagen wird. „Jetzt komme ich aber einfach nur noch zum Kicken gucken. Dann, wenn es eben passt.“

VIELEN DANK VERENA